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1606Spektrum21

mit dem Geschäft verbindet, klarmachst. Also: Je mehr deine Mitarbeiter die Zusammenhänge verstehen, desto leidenschaftlicher können sie sich auch in ihr Geschäft, ihre Kunden und Produkte hineinversetzen. Das setzt voraus, dass die Chef-Etage selbst den Puls am Markt haben muss, oder? Staudt: Absolut. Auch wenn du im Vorstand bist, musst du sooft wie möglich die Nähe zu deinen Kunden suchen. Du musst exakt wissen, was dein Kunde wiederum mit seinem Kunden vorhat. Das musst du als Prozess begrei- fen. Bei IBM wollte ich jeden Tag einen Kunden-Vorstand sehen. Nur so wusste ich, was draußen wirklich abläuft und konnte intern meine Change-Themen vorantreiben. So musst du das spielen. Stichwort „was draußen abläuft“. Herr Iskan, wenn Sie heute in Gesellschaft und Unternehmen hineinblicken, welches Zustandsbild sehen Sie? Iskan: Ich habe den Eindruck, dass viele junge Menschen schon Komfortspeck ansetzen. Die Bereitschaft, von sich selbst maximale Leistungs- und Leidensfähigkeit abzufordern, um aus eigener Kraft etwas zu erreichen, sehe ich in unserer Gesellschaft immer weniger. Ich sehe heute in Unternehmen schon Wellness-Oasen. „Wellness-Oasen“? Iskan: Ich meine damit die Generation „Ich werde mal erben und zerreiße mich nicht mehr für den Erfolg.“ Eben die Generation „wie mache ich mit einem Nine- to-Five-Job und einer guten Worklife-Balance“ Karriere? Eben. Gar nicht. Und genau diese Einstellung steht völ- lig diametral zu den Ambitionen vieler junger, extrem hungriger Menschen in aufstrebenden Märkten. Um das zu erkennen, musst du einfach nur in die Shared Service Center nach Bukarest, Rumänien. Dinge, die für uns hier in Deutschland längst selbstverständlich sind, sind es für viele Menschen in anderen Märkten eben nicht. Entsprechend leidenschaftlich kämpfen sie für ihre Möglichkeiten. Genau dieses Bewusstsein bei uns wieder zu schaffen, ist für mich eine Aufgabe der Change Leader in den Unternehmen. Staudt: Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter und sage: Die Gesellschaft bereitet mir durchaus Sorgen. In meinen Augen finden wir in Wirtschaft und Gesell- schaft immer weniger fähige Führungseliten vor. Viel mehr noch: Ich bekomme das Gefühl, dass wir zuneh- mend von Dilettanten geführt werden. Hinzu kommt: Wir sind so in den Unternehmen eingetaktet, dass wir das eigene Denken ausgeschaltet haben. Der Manager oder der Staat machen das schon für mich! Wir vertrauen also darauf, dass diejenigen, die den Vorstand oder den Staat ausmachen, für uns die Konsequenzen durchdenken. Die Menschen müssen jedoch selbst wieder die Verant- wortung übernehmen und mitdenken. Hier fängt für mich Change Management an. Was sollte sich auf der Chef-Etage aus Ihrer Sicht kon- kret ändern? Iskan: Heut macht nur noch ein Typus von Führungskraft Karriere. Der „Zahlen-Checker“. Er kann alle Quartalsergeb- nisse im Detail erläutern und vorbildlich Entscheidungen aussitzen. Doch wer Entscheidungen aussitzt, delegiert oder Politik auf den Rücken der Mitarbeiter austrägt, der tritt Corporate Social Responsibility mit Füßen. Gebraucht werden wieder mehr Macher auf den Chef-Etagen – ge- paart mit Controlling. Das sollte wieder besser ausba- lanciert werden. Technologie-Kompetenz muss zudem zu einem neuen Kriterium bei der Vorstandsbestellung und Führungskräfteernennung werden. Wo liegen denn die größten Probleme für die Weiter- entwicklung der Unternehmen? Iskan: Je mehr Statusdrang in einem Betrieb, desto we- niger Veränderungsbereitschaft. Kompetenz muss mehr zählen als Titel auf Visitenkarten oder Premium-Dienst- wagen. Es geht heute zudem zu viel Zeit damit verloren, Führungskräfte, die aus Prinzip sich und ihr Umfeld nicht entwickeln wollen, für Veränderungen zu „bearbeiten“. Darüber hinaus sind wir in Deutschland einfach noch zu stark auf „Optimieren“ ausgerichtet, statt visionäre Themen anzupacken. Welche innovativen Ansätze gäbe es denn, es besser zu machen? Iskan: Erstens: Der Leiter Personal muss aus dem Ge- schäft kommen und zugleich der Leiter Strategie sein. Er muss der Kandidat für den späteren Top-Posten im Unternehmen sein. Da werden auf einmal völlig ande- re Leute hochgespült! Es ist bedenklich, dass nur noch „Analysten“ und „Controller“ vorzufinden sind. Zweitens: Gib ausgewählten jungen Leuten einen wertvollen Pro- jektauftrag, ein Budget, einen Mentor und einen Coach. Läuft es gut, perfekt. Geht es schief, o.k. Geld versenkt. Dann muss man sich ansehen, woran es lag. Auch das 9 Titelthema

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