Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Spektrum Ausgabe Januar 2014

36 Lehre & Forschung Wir ahnen bereits, dass ich die Kaufent- scheidung für die Packung Waschmittel spontan getroffen habe. Bei den vielen Produkten, die ich einkaufen muss, würde es mir schlichtweg zu lange dauern, nach Preisen und Al- ternativen zu fahnden. Den Großteil meines Waren- Standardrepertoires kaufe ich ein wie immer. Es handelt sich um „impulsives“ oder „habituelles“ Einkaufsverhalten, und es ist ökonomisch vernünf- tig, denn ich habe gelernt und verlasse mich darauf, dass mein Supermarkt adäquate Preise bietet; nicht für jedes einzelne Produkt, aber in der Summe des Warenkorbes schon. So spare ich Zeit, verzichte aber bewusst auf die Chance, diesen Warenkorb zu optimieren. Aber wie ist es, wenn ich einen neuen Fernseher brauche? Oder gar ein neues Auto? Fernseher und Autos werden nicht aus Gewohnheit gekauft. Ihre Beschaffung haben wir nicht geübt, wir kennen uns nicht so recht aus, wissen nicht, wie wir die spezi- fischen Produkteigenschaften priorisieren und mes- sen sollen. Aber vor allem gehen wir mit dem Kauf eines solchen Produktes das Risiko ein, einen Fehler zu machen. Die Kaufentscheidung bindet, sie bin- det unser Budget, sie bindet uns an das Produkt, vielleicht auf Jahre, und sie bindet uns auch an das Image des Produktes. Also werden wir uns informie- ren. Wir lernen im Laufe dieser „extensiven“ Kauf- entscheidung. Kaufentscheidungen treffen wir also je nach Produkttyp anders. Wie bewusst entscheiden wir? Wir wissen heute, dass selbst gut unterrichtete und in hohem Maße reflektierende Verbraucher irratio- nal entscheiden. Sie reagieren intuitiv, reflexhaft und auf Basis vereinfachender Entscheidungsregeln, sie leben mit systematischen Fehlern, die sie selbst dann nicht immer korrigieren, wenn sie sie erken- nen, und sie agieren keineswegs immer eigennützig beziehungsweise nutzenmaximierend, sondern auch altruistisch, bringen Opfer, sind fair und gerecht. Selbst, wenn wir glauben, bewusst zu entscheiden, können wir uns dessen keineswegs sicher sein. Gleich drei Forschungsrichtungen der Betriebswirt- schaftslehre beschäftigen sich mit diesem Komplex: Das Marketing, die Neurowissenschaft und die Ver- haltensökonomie. Auf allen drei Gebieten gibt es an der Hochschule Ludwigshafen erfahrene Professo- ren, die in Lehre und Forschung auf ihren jeweiligen Themengebieten erfolgreich tätig sind. Wir dürfen uns nicht glauben Teil 1: Verhaltensanomalien Nicht zuletzt durch die Arbeiten der Nobelpreisträ- ger Kahneman und Vernon Smith (der dritte „Gro- ße“, Tversky, ist leider zu früh verstorben, um aus- gezeichnet zu werden) finden wir ein Repertoire von über 30 gut erforschten Verhaltensanomalien, soge- nannten „Biases“. Sie aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen, und darum sei bei Interesse das exzellente populärwissenschaftliche Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ (Daniel Kahneman, Siedler-Verlag, 21. Auflage 2012) empfohlen. Frustrierende Quintessenz der zugrundeliegenden Forschungen ist, dass wir unser eigenes Verhalten nicht objektiv reflektieren können. So unbequem diese Erkenntnis auch sein mag: Wir können unser eigenes Verhalten nicht erklären, wir können es nur rechtfertigen. Die Kaufentscheidung erfolgt selbst beim Fernseher und beim Auto nur bedingt rational. Wir können nicht einmal erkennen, wie sehr wir be- einflusst sind. Sogar wie wir nach dem Kauf unsere Entscheidung begründen, ist ein Selbstbetrug. Und so Warum wir uns selbst nicht trauen dürfen Weiß ich, was ich kaufen will? Gestern im Supermarkt: Ohne nachzudenken, lege ich eine Packung „Sowieso“ in meinen Einkaufswagen. Wie immer. Auf den Preis habe ich nicht geachtet, und hätte ich es getan, wüsste ich auch nicht, ob er niedrig oder hoch war. Ich kaufe immer „Sowieso“ zum Waschen. Ist das dumm? Handele ich ökonomisch sinnvoll? Was bestimmt überhaupt meine Kaufentscheidung? von Jörg B. Kühnapfel

Seitenübersicht